Für Friedrich Torberg, den vielleicht wienerischsten aller Literaten, war das Kaffehaus "die komplizierteste der Wiener Legenden." Entsprechend viele Anekdoten und Mythen ranken sich um diese scheinbar ewige Institution der österreichischen Hauptstadt. Vom Adel ebenso geliebt wie von der Bohéme, von zahllosen Schriftstellern und Musikern besungen und bespöttelt, haben die Kaffehäuser Wiens nicht nur Kriegszerstörungen und politische Umwälzungen überstanden, sondern auch Touristenstürme und die Invasion der "Coffee-To-Go"-Ketten. Immer waren sie mehr als nur als nur bloße "Cafè", sie waren Nebenwelten, Rückzugsorte, Treffpunkte von Kunst und Kultur. Ihre spannende Geschichte, von den Anfängen nach der Türkenbelagerung 1683 bis zum heutigen Tag soll hier erzählt werden.
I. Das "Türkische Getränk"
Es mag der Wiener Seele schmerzen, dass die ersten Kaffehäuser in Europa nicht an den Ufern der Donau enstanden, sondern an der Küste der Adria in Venedig. Dorthin war der Kaffee vor 1630 aus dem Osmanischen Reich gelangt, wo man die belebende Wirkung der ursprünglich aus Ostafrika stammenden Bohnen schon seit mehr als einem Jahrhundert geschätzt wurde. Auch das erste Kaffehaus Wiens verdankte sich der Legende nach dem Kontakt mit Türken, nur dass dieser nich über die Handelsrouten des Mittelmeers zustande gekommen war, sondern bei der Belagerung der Stadt durch das osmanische Heer 1683. Nach der Ensetzung der Stadt hatte der polnische Geschäftsmann und Diplomat Georg Franz Kolschitzky zum Dank für heldenhafte Kurierdienste neben einer Stellung am Kaiserhof auch mehrere von den abziehenden Türken zurückgelassenen Säcken voller Kaffebohnen erhalten. Dass er damit auch den ersten Kaffeausschank der Stadt eröffnet habe, dürfte allerdings eine Fabel sein, die hundert Jahre später erstmals von einem Chronisten der damaligen Ereignisse in die Welt gesetzt wurde. Tatsächlich war es wohl der armenischstämmige Händler Johann Deodat, dem der Kaiserhof 1685 das Privileg erteilte, das "türkische Getränk, als Caffe, The und Scherbet, zu praeparieren", und der daraufhin in der Nähe des Stephansdomes in einem einfachen Zimmer mit Holzbänken das erste Wiener Kaffeehaus eröffnete. In kosmopolitischen Herzen des Habsburgerreiches fand das exotische Getränk schnell anklang, so dass in den folgenden Jahren immer mehr der anfangs of von Griechen betriebenen Kaffesieder aus dem Boden schossen. Von Anfang an bewegte sich hier neben dem Adel auch das gehobene Bürgertum, welches bald auch anderen importierten Vergnügungen wie dem Tabakrauchen und dem Billardspiel frönte. Wolfgang Amadeus Mozart soll beim "Caramboule" eine nicht unerhebliche Menge Geldes, später gaben die "Stars" der Wiener Klassik gerne auch in den größten Kaffehäusern der Stadt, so brachte Ludwig van Beethoven 1814 im "Ersten Kaffeehaus" am Prater seine neuesten Kompositionen am Klavier zur Aufführung. Kunst, Kultur und Kaffee – eine wiener Dreifaltigkeit war geboren.
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